Die Ära der Niedrigzinsen erfordert neue Anlagestrategien. Ehemals sichere Produkte wie Sparbriefe oder Bundesanleihen lassen Vermögen real schrumpfen. Wer mit der richtigen Strategie breit gestreut in Aktien und Fonds mittel- bis langfristig investiert, erwirtschaftet ordentliche Renditen – und kann trotzdem ruhig schlafen.

BÖRSENGEFLÜSTER Nur jeder siebte Deutsche hält Aktien oder Aktienfonds. In den USA hingegen (im Bild die New York Stock Exchange) ist jeder Vierte an der Börse aktiv. Die Scheu vor Verlusten sitzt hierzulande tief. Dabei machten Anleger mit einem Depot, das sich am Aktienindex Dax ausrichtet, in den vergangenen sechs Jahrzehnten nie Verlust – wenn sie die Papiere mindestens 15 Jahre lang hielten. Bei 20 Jahren Haltedauer verdienten sie jährlich sogar mindestens 5 Prozent.

Pressekonferenzen der Europäischen Zentralbank (EZB) sind normalerweise eine unspektakuläre Angelegenheit. Mitte April war das anders. EZB-Präsident Mario Draghi sprach gerade in der nagelneuen Frankfurter Zentrale der Notenbank, als wie aus dem Nichts eine junge Frau auf das Rednerpult sprang. Die Aktivistin baute sich vor Draghi auf, ließ eine Wolke Konfetti auf ihn herabregnen und forderte lauthals ein Ende der „EZB-Diktatur“.

Auch wenn die wenigsten einen solchen Auftritt in Erwägung ziehen würden: Den Ärger der Aktivistin über die Politik der EZB teilen viele. Vor allem bei Sparern ist ihr Chef Draghi unbeliebt. Die Geldpolitik, die er verantwortet, hat die Erträge auf Bankguthaben im Euro-Raum in den vergangenen Jahren auf ein Rekordtief fallen lassen.

Seit Ausbruch der Finanzkrise vor acht Jahren versucht die Zentralbank, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Inzwischen liegt der Leitzins bei gerade noch 0,05 Prozent. Günstige Darlehen sollen Firmen und Haushalte ermuntern, mehr zu investieren und zu konsumieren. Die Strategie ist zum Teil aufgegangen. Die Konjunktur im Euroraum zieht allmählich wieder an: Für 2015 rechnet die EZB mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1,5 Prozent.

Brave Sparer müssen die Konsequenzen dieser Politik tragen. Allein den Deutschen sind durch die EZB-Politik in den vergangenen fünf Jahren 190 Milliarden Euro Zinsen entgangen, hat Michael Stappel errechnet. Für seine Analyse hat der Volkswirt der genossenschaftlichen DZ Bank die aktuellen Zinssätze mit langjährigen Durchschnittswerten verglichen und eine „Was-wäre-wenn“-Betrachtung angestellt.

Vor allem der geschmälerte Zinseszinseffekt belastet die Sparer. Vor 15 Jahren brachten heimische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit rund 5 Prozent Rendite pro Jahr. Dank Zins und Zinseszins ließ sich das Kapital in weniger als 15 Jahren verdoppeln. Wer dem deutschen Staat heute zehn Jahre lang Geld leiht, bekommt dafür nicht einmal 1 Prozent pro Jahr ausgezahlt. „Bei diesem Zinsniveau dauert es 350 Jahre, bis sich ein Vermögen verdoppelt“, höhnt Asoka Wöhrmann, Chefanlagestratege der Deutschen Asset & Wealth Management (DeAWM), der größten deutschen Fondsgesellschaft.

VOLLER EINSATZ Mit mindestens 2 Euro sind Spieler beim Französischen Roulette im Casino Baden-Baden dabei. Wer auf die richtige der 36 Zahlen gesetzt hat, erhält das 36-Fache seines Einsatzes zurück. Die Wahrscheinlichkeit auf diesen Höchstgewinn liegt allerdings bei gerade einmal 2,7 Prozent. Wer sich auf rot/schwarz oder gerade/ungerade festlegt, verdoppelt seinen Einsatz mit einer Wahrscheinlichkeit von 48,6 Prozent. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Spielbank fast eine Viertelmillion Besucher.

Experten zufolge wird sich an der Misere so schnell nichts ändern. DeAWM-Stratege Wöhrmann geht davon aus, dass die Zinsen noch mindestens drei Jahre nahe der Nulllinie verharren. Wer bislang darauf setzte, als Anleihekäufer oder Sparer reich zu werden, muss umdenken. Selbst für den Erhalt der Kaufkraft taugen Festgeld und Zinsgeschäfte mit dem Staat nicht mehr. Was früher als „risikoloser Zins“ galt, produziert nach Abzug der Inflationsrate mittlerweile nur noch eines sicher: reale Verluste.

Als riskant verschriene Anlagen wie Aktien, Rohstoffe oder Investmentfonds, deren Wert höheren Marktschwankungen unterliegt, bieten hingegen Aussicht auf positive Erträge. Die Gefahr von Verlusten lässt sich reduzieren, indem man langfristig plant, Produkte klug miteinander mischt und Gebührenfallen meidet.

Wenn es darum geht, Vermögen zu mehren, gibt es zur Beimischung von Aktien derzeit kaum Alternativen, sofern mindestens mittelfristig angelegt werden soll. Die seit Jahren anhaltende Hausse an den Weltbörsen bestätigt das große Interesse der Investoren: Der deutsche Leitindex Dax hat im vergangenen Jahr 33,3 Prozent zugelegt, in den vergangenen drei Jahren sogar insgesamt 85,7 Prozent. Obwohl viele Papiere mittlerweile relativ hoch bewertet sind, ist laut einigen Kapitalmarktexperten kaum mit einem drastischen Kurseinbruch zu rechnen, da es an attraktiven Alternativen mangelt. Allerdings kann eine Korrektur – etwa aufgrund eskalierender geopolitischer Konflikte oder stark ansteigender Rohstoffpreise – auch nicht ausgeschlossen werden, sodass Käufe von vermögensverwaltenden Mischfonds eine Überlegung wert sind.

Bislang geht der Boom an den Deutschen weitgehend vorbei. Während Anleger in den USA oder in Schweden sich gern mittels Aktien an Unternehmen beteiligen, lassen Bundesbürger lieber die Finger von den börsennotierten Anteilsscheinen. Lediglich 8,4 Millionen Deutsche besitzen Aktien, zeigen Zahlen des Deutschen Aktieninstituts (DAI). Das entspricht 13,1 Prozent der Bevölkerung – und der Anteil sinkt sogar.

Zwar bezweifeln immer mehr Bürger, dass sich konservative Anlagestrategien noch lohnen, wie jüngst eine Studie der Fondsgesellschaft Union Investment offenbarte. Allerdings zieht daraus kaum jemand Konsequenzen: 46 Prozent der Deutschen haben darüber nachgedacht, ihr Vermögen in aussichtsreichere Wertpapiere zu stecken. Tatsächlich gehandelt haben aber lediglich 35 Prozent. Zu groß ist offenbar die Angst vor Verlusten. Das Platzen der Dotcom-Blase zu Beginn des Jahrtausends und der Börsencrash infolge der Pleite von Lehman Brothers 2008 wirken bis heute nach.

Wer in längeren Zeiträumen denkt, kann sich von solchen Rückschlagsszenarien leichter lösen. In den vergangenen sechs Jahrzehnten machten Anleger, die auf den Dax setzten, nie Verlust, wenn sie die Papiere mindestens 15 Jahre lang hielten. Bei 20 Jahren Haltedauer verdienten sie sogar jährlich mindestens 5 Prozent.

ZUCHTMEISTER Täglich kontrollieren und reinigen Taucher die Perlaustern, die in zehn bis 15 Metern Tiefe vor dem Rangiroa-Atoll in Polynesien wachsen. Fast alle Perlen für die Schmuckherstellung werden heutzutage gezüchtet. Dafür wird ein Implantat in die Auster eingebracht, aus dem sich binnen mehrerer Monate eine Perle bildet. Die Ausbeute ist gering: In 30 Prozent der behandelten Austern entwickelt sich eine Perle. Allerdings lässt sich nur jede zehnte Perle einer Ernte kommerziell verwenden, und lediglich jede 30. ist perfekt rund.

Auch regelmäßige Zukäufe etwa mittels Sparplänen nivellieren die Wertentwicklung eines Portfolios (siehe Interview Seite 18): Werden Aktien teuer, wandern relativ wenige Papiere zusätzlich ins Depot. Gehen die Kurse an der Börse zurück, kauft der Anleger für seine fixe Rate höhere Stückzahlen. Wer in den vergangenen 20 Jahren monatlich 100 Euro in einen breit investierten deutschen Aktienfonds eingezahlt hat (insgesamt also 24 000 Euro), kann sich heute – vor Steuern – über ein Vermögen von rund 54 000 Euro freuen. Das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wertzuwachs von 7,5 Prozent.

Um die Gefahr von Verlusten weiter zu minimieren, sollten Anleger ihr Kapital breit streuen: Eine Aufteilung nach Regionen und Branchen sowie in unterschiedliche Anlageklassen kann zufällige Risiken systematisch senken. Wem Zeit oder Fachwissen fehlen, um sich selbst mit der Aufteilung seines Portfolios auseinanderzusetzen, der kann die Auswahl mit Profis erörtern – oder auf eine spezielle Form von Investmentprodukten setzen: Misch- beziehungsweise Multi-Asset-Fonds. Deren Manager kaufen vom Geld der Investoren ein ganzes Spektrum an Produkten: neben Aktien und Anleihen zum Teil auch Rohstoffe, Währungen oder Anteile an Immobilien. Auf neue Marktlagen stellen sie sich ein, indem sie das Geld entsprechend umschichten. Das Angebot an Anlageprodukten ist groß. Investoren sollten vor dem Kauf klären, welche Risiken sie zu tragen bereit sind und welchen Zeithorizont sie haben. Der Prospekt verrät, wie ein Fonds zusammengesetzt ist und welche Strategie die Manager verfolgen. Wichtig ist außerdem der Blick auf die Kosten: Ausgabeaufschläge und laufende Gebühren variieren stark. Bei teuren Produkten fressen sie mitunter einen großen Teil der Rendite auf. Gute Multi-Asset-Fonds, die in den vergangenen fünf Jahren überdurchschnittlich abgeschnitten haben, kosten jährlich weniger als 1 bis etwa 2 Prozent des Gesamtkapitals.

Bei der Geldanlage etwas mehr zu wagen, muss also nicht teuer sein. Sich in Zeiten des Niedrigzinses weiter allein aufs Sparbuch zu verlassen, ist in den meisten Fällen kostspieliger.
Von Olaf Wittrock

RAUSCH AM BACH Fast alle Flüsse in Europa führen Spuren von Gold mit sich, das früher in Gestein eingelagert war. Beim Goldwaschen wird eine Schüssel mit dem Edelmetall-Sand-Gemisch geschüttelt, sodass das schwerere Gold zum Boden sinkt. Danach wird der Sand mit kreisförmigen Bewegungen über den Schüsselrand hinausgewaschen, bis die ersten Goldkörner sichtbar werden.


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