Professor Axel Haverich gilt als Pionier in der Organzucht. Er ist überzeugt, dass irgendwann alles Lebendige reproduzierbar sein wird – vielleicht sogar das menschliche Gehirn

Prof. Dr. Dr. Axel Haverich, 63, ist Direktor der Herzchirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover. In den von ihm gegründeten Leibniz Forschungslaboratorien für Biotechnologie und künstliche Organe (LEBAO) gelang es erstmals, eine biologische Herzklappe herzustellen

Professor Haverich, gerade haben japanische For­scher erstmals Haut aus Stammzellen sogar mit Haar­follikeln gezüchtet. Gehört die Glatze bald der Vergangenheit an?
Davon gehe ich aus. Gerade an der Züchtung von künstlicher Haut wird intensiv geforscht. Doch es wird dauern, bis man große Hautflächen herstellen kann. Und es wird sehr teuer sein. Aber Länder wie die USA haben einen Markt für solche kosmetischen Anwendungen. Wer es sich leisten kann, wird solche Behandlungen wahrnehmen.

Ihr Labor stellt biologische Herzklappen her. Wie funktioniert das, und welche Vorteile haben die Patienten?
Zunächst befreien wir die Spenderklappe von den Zellen des Spenders. Übrig bleibt ein Grundgerüst, das dem Empfänger eingepflanzt wird. Mit der Zeit siedeln sich körpereigene Zellen an – die Klappe wächst mit. Wir haben schon 230 eingesetzt, 200 davon Kindern und Jugendlichen. Die Klappe wird nicht abgestoßen und kann lebenslang halten. Das heißt weniger Risiko und mehr Lebensqualität.

Der große Traum ist es, eines Tages komplette Organe im Reagenzglas zu züchten oder, noch besser, mit einem 3-D-Drucker auszudrucken. Wann könnte es so weit sein?
Haut, Knochen, Knorpel und wahrscheinlich auch die Luftröhre werden schon bald, also in den nächsten fünf Jahren, im Labor herstellbar sein. Bei komplexen Organen wie Herz und Leber wird es noch 20 Jahre dauern. Das Gehirn nachzudrucken ist absolute Zukunftsmusik. Bevor es dazu kommt, wird es lange Debatten über die ethischen Bedenken geben.

Welche Hindernisse müssen Sie und Ihre Kollegen auf diesem Weg noch überwinden?
Es geht zum einen darum, gewaltige Datenmengen zu beherrschen. Die Organe werden in Schichten von wenigen hundertstel Millimetern gedruckt. Dafür sind riesige Rechnerleistungen nötig. Zudem muss die Überlebensfähigkeit des Gewebes außerhalb des Körpers verbessert werden. Noch sterben die ersten gedruckten Schichten nach zwei Tagen ab, bevor das Organ fertig gedruckt ist.

Bioprinter könnten auch in der Lebensmitteltechno­logie eine Rolle spielen, was Tierschützer freuen dürfte. Wann werden wir „gedruckte“ Schnitzel essen?
Zurzeit ist das noch enorm teuer. Aber wenn die Entwicklung so weitergeht und es gelingt, Fleisch kostengünstig so herzustellen, wird es sicher ein Erfolg. Wie so ein Schnitzel schmecken wird, weiß ich nicht. Aber einer Generation, die damit aufwächst, wird es völlig normal vorkommen, gedrucktes Fleisch zu essen.

Interview: Eva Tenzer


Hier finden Sie einen Film­beitrag über die Fortschritte bei der Herstellung von Organen