Der englische Astronom Edmond Halley ersann vor mehr als 250 Jahren die erste Lebensversicherung

Ist es nicht ein bisschen makaber, auf den Tod anderer Menschen Wetten abzuschließen? Schon, aber viele wohl­habende Bürger störten sich daran im 18. Jahrhundert nicht. Sie setzten zum Vergnügen Geld­summen darauf, dass ein bestimmter Schiffs­eigner oder Kaufmann das nächste Jahr überlebt – oder eben nicht. Die Behörden verboten das Spiel mit dem Tod schließlich. Nur wer ein wirt­schaftliches Interesse am Überleben eines anderen Menschen hatte, durfte sich für den Fall absichern, dass dieser stirbt; etwa weil er ihm Geld geliehen hatte oder finanziell von ihm abhängig war. Im Grunde war das der Beginn der Lebens­versicherung, wie wir sie heute kennen.

Schon früher, im Mittel­alter, hatten sich Zünfte von Bergleuten oder Hand­werkern in Sterbe­kassen organisiert, die Hinter­bliebene ihrer Mitglieder im Todes­fall absichern sollten. Und im antiken Rom gab es bereits im Jahr 250 v. Chr. Beerdigungs­vereine, die Verwandte mit Geld unterstützten, wenn der Haupt­verdiener starb. Eines hatten all diese Kassen gemeinsam: Die Einzahlungen waren ebenso planlos und ungeregelt wie die Auszahlungen. Alle Beteiligten waren auf das Wohl­wollen der anderen angewiesen.

Dann kam Edmond Halley. Der englische Natur­wissen­schaftler war nicht nur einer der bekanntesten Astronomen seiner Zeit und unter anderem Namens­geber des Halleyschen Kometen, sondern auch der erste Versicherungs­mathematiker. Aus einem Daten­konvolut in Breslauer Kirchen­büchern, das ihm in die Hände fiel, errechnete er die ersten Tabellen zur statistischen Lebens­erwartung seiner Zeit­genossen. Mithilfe dieser Sterbe­tafeln ermittelte er alters­abhängige Beiträge, die regelmäßig in Sterbe­kassen einzuzahlen waren. Erst damit ließen sich individuelle Versicherungs­verträge abschließen, die den Familien oder Schuldnern eines Verstorbenen eine bestimmte Geld­summe zusprachen.

Aus Halleys Sterbe­tafeln entstand 1762 die erste moderne Versicherungs­gesellschaft, die „Society for Equitable Assurances on Lives and Survivor­ships“, die europa­weit Policen verkaufte. Doch schon bald hatte die Branche ihren ersten Skandal. Nach dem Tod des Herzogs von Sachsen und Gotha stellte sich heraus, dass dieser „schwach­sinnig“ gewesen war – dies bei der Vertrags­unterzeichnung jedoch tunlichst verschwiegen hatte. Prompt weigerte sich die Versicherung zu zahlen. Juristen und Kauf­leute regelten die Angelegenheit mit deutscher Gründlichkeit: Sie gründeten die Gothaer Versicherung und hielten die Rechte und Pflichten beider Seiten fortan im Klein­gedruckten akribisch fest.

Von MELANIE KEGEL